Zauberwald aus Erdlöchern, Grotten und Felsbrocken

„Als Kinder sind wir auf Bäume geklettert, haben Verstecken gespielt hinter den riesigen Blöcken, uns den Bauch vollgeschlagen im Blaubeer-Paradies und im weichen Moos geträumt“, erinnert sich Erika. „Später habe ich den Tauferberg links liegen gelassen. Da wollte ich höher hinaus und weiter weg. Am liebsten etwas Exotisches. Wenn ich dann doch mal zum Tauferberg ging – zum Sammeln von Pilzen und Beeren etwa – führte der Weg für mich einfach nur hinein und wieder hinaus, kaum dass ich die Umgebung wahrnahm. Er war einfach da, vorhanden, aber nicht wichtig. Später, wenn ich mal eine Auszeit von der Arbeit brauchte, habe ich sie mir zwar abseits von Wegen und Menschen genommen, aber nie im Tauferberg.“

Zur Person Erika Falkner-Gigon

  • Familienstand: verheiratet, drei Kinder
  • Tätigkeit: Wirtin
  • Ehrenämter / Hobbies: Naturfreak, Lesen, die Tiere meiner Kinder hüten, mit meinem Mann verreisen

Zum Lieblingsplatz

  • Ausgangspunkt: Parkplatz Ortsteil Lehen (Fußballplatz)
  • Gehzeit hin & zurück: 2:30 - 3:00 h
  • Schwierigkeitsgrad: leicht
  • Höhenunterschied: ca. 200 Meter

Senkrecht fällt die Wand vom Hohen Stein ab – ein Eldorado für mutige Kletterer! Wer sich nicht mit Seil und Haken oder auch völlig freihändig nach oben hangeln will, nimmt die Leiter, die auf den gewaltigen Felsbrocken führt. Es lohnt sich, denn der flache Gipfel des Riesenblocks belohnt mit einem grandiosen Blick auf das weite Talbecken von Längenfeld. Der Hohe Stein ist der größte von allen Felsen, die mit Moos und Bäumen bewachsen im Tauferberg verstreut liegen. Vor knapp 10.000 Jahren donnerten beim Köfler Felssturz gewaltige Massen ins Ötztal und schoben sich zur Talflanke gegenüber hoch. So entstand das Hochplateau von Niederthai und sein Waldrücken, der Tauferberg. Ein Zauberwald aus Erdlöchern, Grotten und haushohen Granit-Felsbrocken.

 

Bereit für die totale Stille

Ein geheimnisvoller Ort, dessen Anziehungskraft sich auch Erika nicht entziehen konnte: „Irgendwann im Laufe der Jahre veränderten sich meine Bedürfnisse. Das schnelle Rennen auf die Berge lag nicht mehr drin – zu wenig Kondition. Nach einer anstrengenden Lebensphase brauchte ich wieder Luft zum Atmen, musste Kraft schöpfen. Da habe ich den Tauferberg neu entdeckt, in all seinen Facetten. Natürlich hat es mit den Pfifferlingen, die dort an manchen Stellen zuhauf wachsen, angefangen. Aber es kam so vieles mehr. Das erste und letzte Grün im Jahr, Felsbrocken, Flechten, die Vogelwelt, Wild, Nebel und Winterwanderungen.“ Meist geht Erika allein in „ihren Berg“. Nur ihr Bauernhof-Mischlingshund Lucky Loup läuft neben ihr. Heute sind wir zu dritt, bereit für die totale Stille. Schon nach 20 Metern wird die Außenwelt verschluckt von der natürlichen Schalldämpfung im Wald. Nach hundert Metern etwa sind wir selbst Teil des Waldes.

 

Tiefenentspannt nach einer halben Stunde

Alle Sinne sind auf Empfang gestellt. Wir sprechen immer leiser und hören dem Rauschen des Windes zu, dem Knarzen der Bäume, werden achtsam. Sehen plötzlich alles wie durch ein Vergrößerungsglas. Zoomen mit bloßen Augen einen Specht heran, der auf einen Baum einhämmert. Saugen den Geruch aus Moos und Moder, aus Harz und Holz, aus Blättern und Beeren tief in uns ein. „Nirgendwo bist du so empfänglich dafür wie im Wald“, sagt Erika. „Wenn ich eine halbe Stunde allein durch den Tauferberg gehe, ist es wie Meditation. Du ruhst in dir, du bist gefestigt. Tiefenentspannt.“ Erika hat die heilende Wirkung des Walds entdeckt, lange bevor Begriffe wie „Waldwellness“ und „Waldbaden“ zum Trend erklärt wurden. Bevor Studien belegten, dass sich die Botenstoffe „Terpene“, die von den Bäumen ausgesandt werden, positiv auf das menschliche Immunsystem und die Psyche auswirken.

 

Du gehst hinein und kommst verändert heraus

Selbst bei weniger gutem Wetter hat der Tauferberg für Erika etwas Mystisches – oder gerade dann. Bei Regen schützen die Bäume, die hier so dicht an dicht stehen, dass sie ein grünes Dach aus Blättern und Nadeln bilden. „Hier wird es nie eintönig“, sagt Erika. „Hinter jeder Kurve wartet eine andere Perspektive, wird die Aufmerksamkeit auf etwas Neues gelenkt. Es gibt keine geraden, gleichförmigen Wege im Tauferberg, auf denen sich häufig die Gedanken wie in einer Mühle drehen. Selbst wenn ich nur eine Stunde Zeit habe, erhole ich mich im Tauferberg.“ In diesem verwunschenen Urwald, der vollkommen der Natur überlassen ist. Wo Bäume und Büsche auf natürliche Weise wachsen und auf natürliche Weise vermodern. Wo Brücken aus Felsen und umgestürzten Baumstämmen geformt sind. „Es gibt sicher wenige Flecken auf der Welt, wo man auf so kleinem Raum so viel entdecken kann – auch in sich selbst. Der so vielen Bedürfnissen und Altersschichten gerecht wird. Der Tauferberg ist für mich ein Zauberberg. Du gehst hinein und kommst verändert heraus.“